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Ist die klientenzentrierte Psychotherapie nach Rogers noch zeitgemäß?

„Alles. Sofort. Jetzt.“ – So ließe sich die Erwartungshaltung vieler Menschen in unserer schnelllebigen Gesellschaft beschreiben. Ob beim Online-Shopping, beim Streaming oder bei der Essensbestellung: Wir sind es gewohnt, Ergebnisse ohne Wartezeit zu erhalten. Kein Wunder also, dass diese Haltung auch ins Coaching und in die Psychotherapie getragen wird.

Doch was passiert, wenn Menschen in diesem Tempo eine Psychotherapie beginnen und erwarten, dass die Therapeutin oder der Therapeut möglichst schnell Lösungen präsentiert? Passt da ein nondirektiver Ansatz wie der von Carl Rogers überhaupt noch in unsere Zeit?

Warum Rogers’ Ansatz aktueller ist, als viele denken

Die klientenzentrierte Psychotherapie nach Rogers setzt auf Empathie, Akzeptanz und Authentizität – und vor allem auf die Überzeugung, dass die Klientin oder der Klient die für ihn passende Lösung bereits in sich trägt. Das klingt für manche ungeduldig oder gar „altmodisch“. Doch genau hier liegt ihre zeitlose Stärke:

Selbstwirksamkeit statt Abhängigkeit

Wer Lösungen „serviert“ bekommt, mag kurzfristig zufrieden sein – doch die Gefahr ist groß, dass sich Abhängigkeiten bilden. Rogers’ Ansatz stärkt hingegen die Fähigkeit, eigene Antworten zu entwickeln. Das braucht Zeit, führt aber zu nachhaltiger Veränderung.

Tiefe statt Schnelligkeit

Viele „schnelle Lösungen“ kratzen an der Oberfläche. Im klientenzentrierten Prozess geht es nicht darum, ein Problem zu übertünchen, sondern um eine echte Auseinandersetzung mit den eigenen Themen. Das dauert länger – wirkt aber tiefer.

Zutrauen statt Belehrung

Der nondirektive Stil vermittelt: „Ich traue dir zu, deine eigene Lösung zu finden.“ In einer Welt, in der Menschen sich oft überfordert und fremdbestimmt fühlen, ist dieses Zutrauen ein starkes Gegenangebot.

Wie mit dem Vorbehalt umgehen: „Therapie muss Lösungen bieten“

Natürlich begegnen Therapeuten und Coaches immer wieder der Haltung: „Ich bin hier, also sag mir bitte, was ich tun soll.“ Wie lässt sich damit umgehen?

  • Erwartungen klären: Schon zu Beginn kann es hilfreich sein, transparent zu machen, was der Ansatz leisten kann – und was nicht.
  • Sichtbare Fortschritte betonen: Auch kleine Schritte im Erkennen und Verstehen können als „Lösungen“ sichtbar gemacht werden. Das nimmt der Ungeduld den Wind aus den Segeln.
  • Den Prozess als Lösung rahmen: Oft entsteht die eigentliche Lösung im gemeinsamen Gespräch und in der Zeit dazwischen. Das klar zu benennen („Ihre Einsicht gerade ist ein Schritt in Richtung Lösung“) hilft, den Wert des Prozesses zu verdeutlichen.

Entschleunigung als zeitgemäßes Heilmittel

Gerade weil unsere Welt immer schneller, komplexer und fordernder wird, lohnt sich ein Ansatz, der Verlangsamung, Selbstreflexion und Eigenverantwortung stärkt. Die klientenzentrierte Psychotherapie nach Rogers ist nicht überholt – im Gegenteil: Sie ist ein wohltuendes Gegengewicht zum Zeitgeist und wirkt nachhaltiger als viele vermeintlich schnelle Lösungen.

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Andy Weinert

Dozent für mündliche Prüfungstrainings


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