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Das Paradox der Kontrolle – Wie Loslassen im therapeutischen Prozess wirkt

Wer sich in Therapie begibt, bringt oft ein starkes Bedürfnis nach Kontrolle mit. Kontrolle über Gefühle, über Gedanken, über das eigene Leben – und nicht selten auch über den Verlauf der Therapie selbst. Paradoxerweise entsteht wirkliche Veränderung oft nicht durch festhalten und steuern, sondern durch das Gegenteil: durch Loslassen. Dieses „Paradox der Kontrolle“ zeigt sich besonders deutlich in der klientenzentrierten Gesprächstherapie nach Carl Rogers.

Viele Menschen erleben Unsicherheit oder Schmerz als Bedrohung und versuchen, diese durch Kontrolle abzuwehren. Kontrolle vermittelt kurzfristig Sicherheit, doch langfristig kann sie Entwicklung blockieren. Im therapeutischen Raum zeigt sich das zum Beispiel durch:

  • den Wunsch, „alles richtig zu machen“,
  • die Angst, Fehler zu zeigen,
  • oder die Tendenz, Gefühle rational zu erklären, statt sie zu erleben.

Kontrolle schützt, aber sie schafft auch Distanz zum eigentlichen Erleben.

Die Haltung der klientenzentrierten Gesprächstherapie

Die klientenzentrierte Gesprächstherapie setzt hier bewusst einen anderen Fokus. Im Zentrum steht nicht die Steuerung durch den Therapeuten, sondern die innere Bewegung des Klienten. Drei Grundhaltungen sind dabei entscheidend:

  1. Echtheit – Der Therapeut begegnet authentisch, ohne Rolle oder Fassade.
  2. Unbedingte Wertschätzung – Der Klient wird in seiner Person akzeptiert, unabhängig von Fehlern, Zweifeln oder Brüchen.
  3. Einfühlendes Verstehen – Der Therapeut versucht, die Welt durch die Augen des Klienten zu sehen, ohne zu bewerten. Gerade diese Haltung entzieht dem Geschehen den Zwang zur Kontrolle – und schafft dadurch eine Atmosphäre, in der Loslassen möglich wird.

Das Wirken des Loslassens

Im Moment, in dem der Klient aufhört, Gedanken und Gefühle ständig „im Griff haben“ zu wollen, öffnet sich ein neuer Erfahrungsraum:

  • Gefühle dürfen sein, ohne gleich eingeordnet oder erklärt werden zu müssen.
  • Unbewusstes wird zugänglich, weil die Abwehr sinkt.
  • Selbstheilungskräfte entfalten sich, da der innere Prozess Vertrauen gewinnt. Loslassen bedeutet hier nicht, die Kontrolle völlig aufzugeben, sondern das Vertrauen zu entwickeln, dass Entwicklung auch ohne permanentes Eingreifen geschieht.

Das Paradox im Erleben

Das Paradoxe daran: Erst wenn der Wunsch nach Kontrolle losgelassen wird, entsteht die Erfahrung von innerer Freiheit und Selbstwirksamkeit. Klienten berichten oft, dass sie sich gerade dann am meisten gestärkt fühlen, wenn sie gelernt haben, das eigene innere Erleben geschehen zu lassen – statt es zu lenken. In der klientenzentrierten Gesprächstherapie wird so aus dem vermeintlichen Kontrollverlust ein Zugewinn an Selbstvertrauen und Autonomie. Das Paradox der Kontrolle erinnert uns daran: Nicht durch Festhalten, sondern durch Zulassen entfalten sich Entwicklung und Heilung. Die klientenzentrierte Gesprächstherapie bietet den sicheren Raum, in dem dieses Loslassen geschehen darf – und gerade dadurch entsteht tiefe Veränderung.

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Andy Weinert

Dozent für mündliche Prüfungstrainings


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