Ab wann gilt die ICD-11?
Die ICD-11 ist seit dem 1. Januar 2022 weltweit in Kraft und bietet ein aktualisiertes System für die Klassifikation von Krankheiten. Sie löst die ICD-10 ab dem 1. Januar 2027 vollständig ab. Während einer Übergangsfrist von fünf Jahren können beide Versionen parallel zueinander verwendet werden.
Was ist neu in der ICD-11?
Ein zentrales Merkmal der ICD-11 ist die Stärkung dimensionaler Konzepte. Krankheiten und Störungen werden sowohl kategorisch, als auch anhand von Schweregraden und Symptommustern beschrieben.
Ein Beispiel hierfür sind die Persönlichkeitsstörungen, die nun in drei Schweregraden dargestellt werden. Statt der spezifischen Subtypen aus der ICD-10 (z. B. paranoide oder histrionische Persönlichkeitsstörung) orientiert sich die Beschreibung in der ICD-11 an fünf zentralen Merkmalen:
- Negative Affektivität: emotionale Instabilität, Ängstlichkeit, depressive Tendenzen
- Distanziertheit: emotionale Kälte, soziale Zurückgezogenheit
- Dissozialität: Aggression, Mangel an Empathie
- Enthemmung: Impulsivität, Verantwortungslosigkeit
- Zwanghaftigkeit: Perfektionismus, Rigidität
Wichtige Änderungen im Kodierungssystem
Die ICD-11 bringt ein vollständig überarbeitetes Kodierungssystem mit sich, das benutzerfreundlicher und flexibler ist. Psychische Erkrankungen sind nun im Kapitel 06 organisiert. Jeder Code besteht aus einem Buchstaben gefolgt von mindestens zwei Ziffern, z. B. 6A80 für Schizophrenie.
Eine wesentliche Neuerung ist die Abschaffung traditioneller Subtypen wie bei der Schizophrenie. Diese wird in der ICD-11 als eine einzige Diagnose beschrieben, wobei spezifische klinische Merkmale und der Verlauf berücksichtigt werden.
Beispiel: Abschaffung der Subtypen bei Schizophrenie
In der ICD-10 wurden verschiedene Subtypen der Schizophrenie unterschieden (darunter z.B. die paranoide Schizophrenie, die hebephrene Schizophrenie und die katatone Schizophrenie). Ein Patient mit vorwiegend Wahnvorstellungen und Halluzinationen erhielt beispielsweise die Diagnose „paranoide Schizophrenie“.
In der ICD-11 gibt es diese Subtypen nicht mehr. Stattdessen wird eine einheitliche Diagnose „Schizophrenie“ gestellt, die auf den spezifischen Symptomen des Patienten basiert. Dies ermöglicht eine flexiblere Beschreibung des Krankheitsverlaufs, ohne die Einschränkung auf festgelegte Kategorien.
Neue Diagnosen in der ICD-11
Es wurden fünf neue Diagnosen in die ICD-11 aufgenommen:
- Komplexe posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS): Abgrenzung zur klassischen PTBS durch zusätzliche Symptome wie emotionale Dysregulation, negatives Selbstbild und Beziehungsprobleme.
- Zwanghaftes Sexualverhalten: Eingestuft als Störung der Impulskontrolle, nicht mehr Teil der sexuellen Dysfunktionen.
- Prolongiertes Trauerstörungssyndrom: Anhaltende Trauerreaktion über mehr als 6 Monate mit erheblicher Beeinträchtigung.
- Burnout: Bleibt im Kapitel „Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen“ und wird explizit als arbeitsbezogen beschrieben.
- Gaming-Störung: Erstmalige Anerkennung exzessiven Gamings als Verhaltenssucht.
Neu strukturierte oder präzisierte Störungen
Einige bestehende Störungen wurden in der ICD-11 aktualisiert:
- Essstörungen: Präzisierte Kriterien für Anorexia nervosa, Bulimia nervosa und Binge-Eating-Störung.
- Autismus-Spektrum-Störung (ASS): Subtypen wie das Asperger-Syndrom wurden zu einer einheitlichen Kategorie zusammengefasst.
- Bipolare Störungen: Überarbeitete Definitionen für manische und depressive Episoden.
- Dissoziative Störungen: Neu strukturierte Untertypen erleichtern die Diagnosestellung.
Wann wird nach ICD-11 geprüft?
Laut aktuellen Rückmeldungen der Gesundheitsämter (Stand: November 2024) wird die ICD-11 ab dem Jahr 2027 prüfungsrelevant. Das bedeutet, dass Du ausreichend Zeit hast, Dich mit den neuen Regelungen vertraut zu machen.
Fazit
Die ICD-11 umfasst einige wichtige Neuerungen vor allem in der Klassifikation psychischer Störungen und der Einführung neuer Diagnosen. Trotz der Umstellungen bleibt genügend Zeit, um sich auf die Änderungen vorzubereiten.
Nutze die Übergangszeit, um Dich mit der ICD-11 langsam vertraut zu machen – sei es für Deine Praxis oder in Deiner Prüfungsvorbereitung.