Nach einer kurzen Begrüßung (Personalausweis, Vorstellungsrunde) wurde das Aufnahmegerät eingeschaltet und damit der Prüfungsmodus. Die Prüfung war umfassend (für mein Empfinden wenig störungsbildspezifische Fragen), sachorientiert und wenig menschelnd. Es gab im Prozess keinerlei mündliche Rückmeldungen zu Erfolg oder Misserfolg (nur mich irritierende Mimik). Ich beschreibe das so, weil ich allen Mut machen möchte, sich davon nicht irritieren zu lassen, sondern konzentriert und ruhig zu bleiben.
Diese Frage wurde im Prüfungsprotokoll vom Prüfling nicht beantwortet.
Leichte affektive Störungen und Anpassungsstörungen. Aufgrund meiner Sorgfaltspflicht schließe ich aus: Schizophrenie, Störungsbilder mit psychotischen Symptomen, Störungsbilder, bei denen eine psychopharmakologische Behandlung im Vordergrund steht, etc. Nach meinem derzeitigem Ausbildungsstand würde ich Zwangs- und Angststörungen eher an Verhaltenstherapeuten überweisen, da diese Methode sehr gut untersucht und für diese Störungsbilder erfolgsversprechend ist.
Anmerkung
Bedenkt auf jeden Fall dass ihr Störungsbilder erwähnt die mit eurem psychotherapeutischen Verfahren gut behandelbar sind und keine Kontra- oder nicht-Indikationen aufweisen.
Wollen Sie nun mit Kindern oder Erwachsenen arbeiten?
Prüfling
Erwachsene. Bei Familien steht bei mir aktuell eher Erziehungsberatung im Vordergrund.
Anmerkung
Beachtet dass die Themen die ihr erzählt natürlich auch genauer geprüft werden. Also wenn ihr mit Kindern und Jugendlichen arbeiten wollt dann müsst ihr einfach die ganze Kinder- und Jugendpsychologie auswendig von oben nach unten runter wissen und sollte da keine Schwächen haben.
Erläutern Sie mir bitte die Vorgehensweise bei einer Anorexia Nervosa aus systemtherapeutischer Sicht.
Prüfling
Beschreibung allgemeiner systemischer Ansätze und Arbeitsweisen (ich habe in meiner Ausbildung keine störungsbildspezifische Herangehensweise erlernt.) Das war schwierig - ich konnte systemisches therapeutisches Arbeiten erläutern, jedoch nicht die gewünschten Modelle für die Anorexia Nervosa anbieten.
Anmerkung
In der systemischen Therapie wird versucht die nötige Kontrolle über Essverhalten und die tatsächliche Psychotherapie zu trennen. Das kann dadurch erreicht werden, dass unterschiedliche Personen für Therapie und Kontrolle zuständig sind oder dass die Kontrolle über einen Vertrag geregelt ist. Ein anderes Vorgehen ist, dass die Gewichtszunahme als erste Phase bearbeitet wird und erst in der zweiten Phase die systemische Psychotherapie hinzukommt.
Im Familiensystem finden sich oft problematische Dynamiken:
Verstrickung und Grenzstörung
Zusammenhalt
Norm- und Leistungsorientierung
Überfürsorglichkeit, Überbehütung
Starrheit
Harmoniegebot und Konfliktvermeidung
Aufopferung und Schuldproblematik
nach außen hin intakte Ehe der Eltern mit subtilen oder offenen Entwertungen
das Hungern als Antwort auf eine Konfliktsituation und als Lösungsversuch
Diese Dynamiken werden in gut reflektierten Gruppensituationen erkannt, thematisiert und verändert. Das Hauptziel ist den Teufelskreis der anorektischen Symptomatik zu durchbrechen.
36-jährige Frau, zwei Kinder, fühlt sich völlig überfordert, sie schaffe es gerade noch, zur Arbeit zu gehen (nachmittags putzen), würde schlecht schlafen, früh aufwachen.
Vor drei Jahren hatte sie einen Schlaganfall erlitten, der aber mittlerweile gut überwunden wurde und keine Nachwirkungen mehr hat.
Sich mit Freunden zu treffen, dazu hätte sie kaum mehr die nötige Energie. Seit sechs Monaten ist ihr Mann arbeitslos und hänge nun nur noch zu Hause rum, seitdem ist es noch schlimmer. Sie sei psychisch völlig am Ende.
Bitte stellen Sie Differenzialdiagnosen.
Prüfling
Da ich nicht mitschreiben sollte, musste ich einige Details zwischendrin immer noch mal erfragen. Ich habe direkt zu Beginn gesagt, dass mir zwei Verdachtsdiagnosen als erstes in den Sinn kommen und ich beide erläutern würde:
Depressive Episode und Anpassungssstörung.
Ich habe dann mit der affektiven Störung begonnen, erläutert, welche Symptome dafür sprechen, was man noch klären müsste (z.B. ob es auch manische Episoden gibt, etc.) und bin dann weiter zu den Anpassungsstörungen. Auf meine Nachfrage, seit wann die Klientin denn die Symptome hat, meinte der Facharzt, seit sechs Monaten, woraufhin ich meinte, dann würde ich auf eine Anpassungsstörung fokussieren, da es einen klaren Auslöser gibt und auch die Zeitdimension passt.
Ich habe meine Antwort hier jetzt sehr verkürzt dargestellt. Es wurden keine Fragen zu
Anamnese, psychopathologischem Befund oder Nachfragen zu anderen Störungsbildern als die von mir als Verdacht geäußerten gestellt.
Anmerkung
Gut, also da muss man differentialdiagnostisch natürlich an depressive Syndrome denken also Anpassungsstörung und Depression. Wie das Fallbeispiel sich darstellt sind hier auf jeden Fall zwei Hauptsymptome vorhanden. Nämlich eine Antriebsstörung und eine schlechte Stimmung. Und auch zwei Nebensymptome, nämlich die Schlafstörung und die negative Zukunftsperspektive. Vermutlich kommen noch mehr Symptome dazu. Das Früherwachen ist ein Hinweis auf ein somatisches Syndrom was möglicherweise auch noch vorliegt. Weitere Symptome aus der Depression müsste man noch erfragen, weil so wie die Frau beschrieben ist sind da noch mehr depressive Symptome vorhanden. Deswegen würde ich eine Anpassungsstörung in dem Fall ausschließen, auch wenn es ein auslösendes Ereignis gibt, weil sobald eine depressive Episode diagnostiziert werden kann, darf man keine Anpassungsstörung diagnostizieren und man muss natürlich differentialdiagnostisch organische Ursachen (sonst organische Depression) und Substanzmissbrauch ausschließen. Möglicherweise auch Medikamente, die zu psychischen Folgen führen können die diese Frau bekommt. Und ganz wichtig Suizidalität abklären weil wenn die Frau völlig am Ende ist es ein richtig gefährlicher Zustand. Eventuell auch Fremdgefährdung in den Fall weil sie zwei Kinder hat und sich überfordert fühlt. Da müsste man auf Nummer sicher gehen und natürlich auch ausschließen ob Wahn vorliegt oder andere psychotische Störungen bei dieser Frau. Es könnte sich nämlich auch um eine schwere depressive Episode handeln. Es ist also wirklich eine Situation wo wir sofort reagieren müssen und die gefährlich ist.
Nach meinen derzeitigen Wissensstand nicht. Ich sollte jedoch noch klären: Suizid, Substanzen, organische Ursachen, psychotische Symptome (wie Wahn, Ich- Störungen).
Noch einmal Suizidalität ausführlich thematisiert sowie Vorgehensweise, um Suizidverdacht zu klären.
Anmerkung
Bei akuter Suizidalität muss eine freiwillige Selbsteinweisung oder eine Zwangseinweisung gedacht werden, d.h. man muss explorieren inwiefern will diese Frau sich therapieren lassen und stationär aufnehmen lassen. Wenn sie das nicht will dann muss man eine Zwangseinweisung in Erwägung ziehen.
Zuerst freiwillige Selbsteinweisung beschrieben, Transport zur LVR-Klinik organisiert (durch Ehemann), mit dem Ehemann supportiv gearbeitet.
Anmerkung
Bei akuter Suizidalität muss eine freiwillige Selbsteinweisung oder eine Zwangseinweisung gedacht werden. Das heißt du musst explorieren inwiefern will diese Frau sich therapieren lassen und stationär aufnehmen lassen. Wenn sie das nicht will, dann muss man eine Zwangseinweisung in Erwägung ziehen.
Freiwillige Selbsteinweisung immer nur mit professioneller Hilfe, nicht einfach die Familie weil die Frau kann ins Lenkrad greifen und so weiter. Das ist gefährlich. Der Hinweis von dem Prüfer ist wichtig.
Und was ist, wenn die Frau ihrem Mann wegrennt und sich unmittelbar suizidiert? Und Sie haben das so eingetütet?
Prüfling
Ich erkläre kurz den Unterschied zwischen bei klarem Bewusstsein und dass m.E. das PsychKG nur bei psychisch Kranken greift. Wenn ich in dem Gespräch davon ausgegangen wäre, dass dann die Fremdeinweisung angestanden hätte. Ausführliche Erläuterung des Weges der Fremdeinweisung hier in Bonn.
Anmerkung
Hier zeigt sich, dass die Prüfer sich eine klarere, eindeutigerer Haltung gewünscht hätten, die die Gefahr erkennt und sofort abwendet.
Haben Sie schon einmal einen psychiatrischen Notfall erlebt?
Prüfling
Nein.
Anmerkung
Sie sollten natürlich ehrlich antworten auf solche Fragen, weil sonst können Sie das nicht beschreiben. An sich ist es gut wenn Sie z.B. ein Praktikum absolvieren, dann haben Sie vielleicht so einen Notfall schon mal erlebt.
Haben Sie in Ihrer Ausbildung oder woanders schon einmal erlebt, wie man mit psychiatrischen Notfällen umgeht?
Prüfling
Ja, natürlich! Lehrtherapeuten – Übungssituationen in Ausbildung, etc.
Anmerkung
Das sind jetzt Nachfragen die daher kommen, dass wir eine Unsicherheit bei der Antwort auf eine vorherige Frage hatten. Es geht also darum, dass Sie alle sicher sind wie geht man mit solchen Fällen um.
Ordnungsamt, das auch für die Einweisung zuständig wäre; LVR-Klinik hat eine Notrufnummer
Anmerkung
Du solltest alle Einrichtungen kennen, die Dich in Deiner Umgebung unterstützen können. Am besten legst Du eine Liste mit Kontaktdaten für Deine Praxis an. Im Zuge der Recherchen für diese Liste, bekommst Du auch alle nötigen Informationen, die bei der Prüfung erfragt werden können.
Wie kam es denn dazu, dass das HP-Gesetz in den Heilpraktiker und den Heilpraktiker für Psychotherapie unterteilt wurde?
Prüfling
Das war 1993, aber ehrlich gesagt, das habe ich irgendwann beim Lernen mal gelesen aber nicht für die Prüfung gelernt. Wollen Sie von mir jetzt genau wissen, wie es dazu kam?
Anmerkung
Aufgrund einer Klage einer Diplom-Pädagogin, die dagegen klagte, dass sie über Anatomie, Physiologie, Pathologie und Arzneimittelkunde geprüft werden würde, obwohl sie nur auf dem Gebiet der Psychotherapie aktiv werden wollte. Im Januar 1993 wurde dann vom Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Berufsfreiheit unverhältnismäßig eingeschränkt wird, wenn allgemeine heilkundliche Kenntnisse von jemand verlangt werden, der nur die Ausübung der Psychotherapie anstrebt.
Ja genau, Sie wollen doch schließlich Heilpraktikerin für Psychotherapie werden. Da müssen Sie das doch wissen!
Prüfling
Nein, tut mir Leid, das kann ich Ihnen nicht erläutern. Ich kann da nur Vermutungen anstellen, ich meine da gab es ein Urteil, aber das ist kein Wissen. Wollen Sie Vermutungen hören?
Anmerkung
Hier finden Sie das Urteil:
https://research.wolterskluwer-online.de/document/37a7f64f-47c9-4428-9cf2-3f173a08e2d6?searchId=43103620
Nehmen wir mal an, nur angenommen, Sie würden jetzt hier die Bestätigung bekommen, dass Sie sich Heilpraktikerin für Psychotherapie nennen dürfen. Was müssen Sie jetzt tun?
Prüfling
Ich muss das Ganze beim Gesundheitsamt Bonn melden und beim Finanzamt eine freiberufliche Tätigkeit nach dem Heilpraktikergesetz anmelden.
Anmerkung
Diese Punkte müssen erfüllt sein, sobald eine Praxis mit Therapieangebot eröffnet wird:
Ameldung beim Gesundheitsamt / Finanzamt / Berufsgenossenschaft BGW
Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung
Wird keine therapeutische Praxis eröffnet, muss auch nichts gemeldet werden.
Wenn Sie jetzt morgen eine Praxis als HP für PT öffnen würden, was änderte sich bei Ihnen?
Prüfling
Im Grunde vermutlich nicht soviel, weil ich vieles von dem geforderten schon jetzt tue (Vertrag mit den entsprechenden Informationen, Aufklärung, Schweigepflicht (Vorsicht Fehler! s.u.)). Meine Dokumentation wird sich verändern, da ich jetzt Diagnosen stelle und den Behandlungsplan/Therapieplan sowie grob den Therapieverlauf dokumentieren werde.
Anmerkung
Ich darf nun auch mit psychisch Kranken arbeiten und Psychotherapie anwenden und nicht nur Beratung.
Anmerkung:
Sobald Therapie angeboten wird, ändert sich rechtlich sehr viel. Es ist ein großer Unterschied, ob "nur" Beratung und Coaching oder Therapie angeboten wird. Klienten müssen klar erkennen können, welche Leistung sie erhalten. Es gibt baurechtliche Vorschriften für die Räumlichkeiten zu beachten (Barrierefreiheit, gewerbliche Nutzung, Brandschutz, Fluchtwege etc.). Anmeldepflicht beim Gesundheitsamt, Finanzamt und Berufsgenossenschaft besteht. Es gelten besondere Regelungen für Werbung, Praxisschild etc. (siehe Pflichten und Verbote). Mit der Erlangung der Heilerlaubnis ist man Teil des deutschen Gesundheitssystems und das unterliegt besonderen Regelungen.
Die perniziöse Katatonie ist ein lebensgefährlicher Notfall aus der katatonen Schizophrenie, wo im Stupor eine vegetative Entgleisung auftritt, die sich durch hohes Fieber, durch Schwitzen, durch Herzrasen und so weiter zeigt und das kann eben zum Tod führen. Da muss sofort reagiert werden. Da werden in der Intensivstation natürlich die Vitalfunktionen überwacht und es wird mit Elektrokrampftherapie gearbeitet, um diesen Kreislauf, der da in Gang gesetzt wurde, zu unterbrechen.
Stellen Sie sich vor, eine Mutter ruft Sie nachmittags an und berichtet Ihnen, dass ihr 8-jähriger Sohn seit dem Morgen starr in seinem Bett liegt und nicht ansprechbar ist. Was tun Sie?
Prüfling
Da es eine lebensgefährliche Situation ist, rufe ich den Notarzt!
Anmerkung
Wir ist ein Stupor bei einem Kind beschrieben und das bezieht sich auf diese perniziöse Katatonie. Dementsprechend sofort reagieren und den Notarzt rufen.
Die Mutter hätte es m.E. schon längst tun müssen. Da sie es nicht getan hat, rufe ich den Notarzt.
Anmerkung
Und da ich als Therapeut nun informiert bin, muss ich die lebensbedrohliche Situation abwenden. Da ich die Mutter über Telefon nicht ausreichend explorieren kann, weiß ich nicht, ob ich darauf vertrauen kann, dass sie den Notarzt rufen würde, wenn ich ihr das sage.
Namentlich, da dem Kind sonst nicht geholfen werden kann. Hier gilt dann auch nicht meine Schweigepflicht.
Anmerkung
Wir sind verpflichtet Straftaten anzuzeigen, hier können wir uns nicht auf die Schweigepflicht berufen, da diese nicht im BGB (wie bei Ärzten etc.) sondern nur in der Berufsordnung geregelt ist.
Wieso reden Sie jetzt von Schweigepflicht? Sie unterliegen der Verschwiegenheitspflicht!
Prüfling
Der Unterschied: Der Schweigepflicht unterliegen Ärzte, Rechtsanwalte etc. und deren Verletzung kann strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Heilpraktiker unterliegen der Verschwiegenheitspflicht, welche im Zweifelsfall zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Anmerkung
Ja, die verwenden hier das Wort "Verschwiegenheitspflicht", um zu unterscheiden, dass man zeigt, dass der Heilpraktiker im Strafverfahren oder in Themen die das Gesetz betreffen nicht schweigen muss, während die Ärzte und Rechtsanwälte diese Schweigepflicht auch in solchen Situationen haben.
Hinweis: Verschwiegenheitspflicht und Schweigepflicht werden z.T. als Synonyme genutzt, im StGB ist von "Verletzung von Privatgeheimnissen" die Rede
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