"Eine Frau, 37 Jahre alt, kommt in Ihre Praxis und möchte mit Ihnen eine Gesprächstherapie machen und mit Ihnen reden. Sie hat ihren neuen Job wegen Corona verloren und habe gerade keinen Antrieb mehr und sei seitdem sehr niedergeschlagen."
Prüfling
(Bevor das Fallbeispiel los ging:
Dann wurde ich gefragt, ob ich mir für das gleich folgende Fallbeispiel eine Struktur auf ein vor mir liegendes leeres Blatt schreiben möchte.
Nach kurzem Zögern bejahte ich und mir wurden zwei Minuten Zeit dafür eingeräumt.
Keine Fragen zu mir, meinem therapeutischen Verfahren oder irgendwelche Fragen zur Psychologie oder psychologischen Diagnostik.)
Anmerkung
In den ersten Sätzen zum Fall können schon wertvolle Informationen stecken, z.B. Alter der Person, Geschlecht, Familienstand usw. Am besten gleich aufschreiben, das hilft später bei der Differentialdiagnose.
Es empfiehlt sich darüber hinaus immer, die Zeit zu nutzen und einen roten Faden für eine Anamnese aufzuschreiben. (Aufgrund der kurzen Zeit möglichst nur Abkürzungen verwenden)
Strukturiertes Vorgehen bei Fallbeispiel (Allgemein):
Gegenteil (Evtl. gab es eine Manische Phase in der Vergangenheit...)
Symptome finden, in Fachbegriffe übersetzen
Differentialdiagnose =》 breit denken (vor allem die Nachbarn in den F-Kategorien ausschließen)
Verdachtsdiagnose stellen
Therapie
Weitere Tipps:
Habe eine Struktur im Kopf und gehe diese durch. Du kannst auch die Prüfer fragen, ob du z.B. genaue Fragen nach dem PPB durchgehen solltest. Wenn dir für den Fall noch etwas fehlt, erfrage sie bei den Prüfern und warum du fragst - z.B. bei Verdacht auf Depression, die jeweiligen Elementarfunktionen abfragen…
Bei Fallbeispielen bereite dich vor, übe Rollenspiele mit Lernpartnern, wechsle zwischendrin in die Metaebene und denke laut nach. Erzähle es dir beim Üben selbst immer wieder laut.
Arbeitsauftrag an mich: „Machen Sie eine Anamnese.“
Prüfling
„Seit wann ist Sie niedergeschlagen?“
Anmerkung
Es macht Sinn, sich bewusst zu machen, was genau mit “Anamnese” gemeint ist.
Als Einstieg bietet sich das aktuelle Beschwerdebild und die dazugehörigen Auslöser an. Es kann zum Einstieg auch gefragt werden, ob an der Klientin optisch etwas auffällig ist.
Bonuspunkte kann man sich verdienen, wenn man auch auf Pflichten des HPP eingeht, z.B. indem man den Behandlungsvertrag erwähnt und die Aufklärungspflichten im Erstgespräch, bevor man in die eigentliche Anamnese einsteigt.
Weitere exemplarische Struktur für ein Anamnese-Rollenspiel:
Seit einigen Wochen. Dabei habe sie sich gerade etwas erholt. Ihr Kind starb vor drei Jahren.
Prüfling
Nimmt Sie Medikamente?
Anmerkung
Das ist zwar eine sehr wichtige Frage, jedoch empfiehlt es sich, im Rahmen eines Rollenspiels nicht "mit der Tür ins Haus" zu fallen.
! Fehler hier: Die Anamnese wurde vernachlässigt und zu früh in den psychopathologischen Befund übergegangen.
Es könnten z.B. auch vorher Fragen zu früheren Lebenskrisen, ihrem Familiären Umfeld (sozialer Rückzug?), oder weiteren Beschwerden (Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Anzeichen somatisches Syndrom Depression) abgefragt werden.
Stopp, hören Sie auf, Sie wissen noch gar nichts über die Frau – machen Sie eine Anamnese.
Prüfling
(Der Stress steigt in mir und ich weiß nicht genau, was mit „machen Sie eine Anamnese“ gemeint ist.
Innerlich denke ich, dass ich doch gerade dabei bin, Symptome zu prüfen und Gefährdungen auszuschließen – das ist doch eine Anamnese.)
Ok, denke ich – dann gehe ich jetzt mal die Hauptsymptome der Depression ab.
Geminderter Antrieb und gedrückte Stimmung habe ich schon gehört. Ich frage also nach Hobbys, um nach einem Interessenverlust zu forschen.
„Hat Sie Hobbys?“
Anmerkung
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Ja, sie sammelt Kinderbücher. Sie sitzt am Grab ihres Kindes und liest ihm aus den Büchern vor. Außerdem geht sie eigentlich gerne wandern. Aber gerade nicht mehr.
Prüfling
Wie ist die Konzentrationsfähigkeit?
Anmerkung
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So gehe ich weiter die Nebensymptome der Depression nach ICD-10 durch und kann nach kurzer Zeit eine schwere Depression mit somatischem Syndrom diagnostizieren, wobei ich im Stress nicht alle Kriterien des somatischen Syndroms abprüfe.
Nun weiß ich nicht mehr weiter.
Ich habe weitere Details zur Frau erfahren, wie zum Beispiel, dass Sie und Ihr Mann einen Gendefekt haben und es noch ein weiteres Kind gibt, dass deswegen nur eine Niere hat.
Sie hat Freunde und ein unterstützendes Umfeld, dass am Tod des Kindes Anteil nimmt.
Über Ihre psychischen Probleme redet sie mit den Freunden nicht.
Anmerkung
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Fragen Sie weiter.
Sie können jetzt keine Diagnose stellen. Die Frau ist erst seit 15 Minuten bei Ihnen und Sie kennen sie noch gar nicht.
Prüfling
Ab jetzt beginne ich ziemlich wahllos in die Geschichte hinein zu fragen, weil ich im Stress nicht weiß, was die Prüferin noch wissen möchte.
Ich erfahre noch weitere Details, die mich jedoch nicht weiter bringen in Bezug auf die Frage, was noch fehlt an Fragen oder Wissen bei mir. Ständig denke ich an Differenzialdiagnostische Fragen – und mir fällt nichts ein. Für mich ist die Sache mit der Depression klar und auch klar, dass ich einen solchen Fall abgeben würde und eine freiwillige Selbsteinweisung empfehlen würde.
Anmerkung
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Nach weiteren fünf Minuten: "Bitte gehen Sie einmal raus – ich möchte mich gerne mit meiner Beisitzerin besprechen."
Ich gehe also raus und hab schon so ein Gefühl, dass es vorbei ist. Fieberhaft denke ich nach, was ich noch fragen könnte. Mir fällt noch ein, dass ich nicht weiß, wer das Citalopram verschrieben hat. Ich werde wieder hineingebeten.
"Also, ich habe mich mit meiner Beisitzerin besprochen und wir..."
Prüfling
Ich unterbreche und mir wird Raum gegeben, noch weitere Fragen zu stellen – obwohl klar war, dass jetzt die Absage für die Prüfung käme. Ich stelle meine Frage, wer das Citalopram verschrieben hat und noch eine weitere, die ich vergessen habe.
Anmerkung
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Sie haben keine ordentliche Anamnese gemacht. Kennen Sie die Namen der Kinder? Sie wissen nicht, warum das Kind verstorben ist.
Was macht dieses Thema in der Partnerschaft? Sie haben nicht nach weiteren körperlichen Symptomen gefragt (Herz oder Übergewicht bzw. Nebenwirkung Citalopram) oder nach dem Appetit zum Beispiel.
Ebenso hätten Sie fragen können, ob die Eltern der beiden schon psychische Probleme hatten.
Die beiden haben auch schon mehrfach künstliche Befruchtung versucht und viel Geld dafür ausgegeben.
Prüfling
(Beide Eltern haben einen Gendefekt und die Kinder sind deshalb betroffen – das erste Kind ist an den Folgen eines Gendefekts auf dem Weg zum Krankenhaus in den Armen der Mutter verstorben und die beiden machen sich große Selbstvorwürfe).
Das hätte ich auch herausfinden können/sollen (Bei einer künstlichen Befruchtung kann man wohl den Gendefekt irgendwie umgehen).
Anmerkung
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